kunst forscht

04/2014
kunst forscht

Ist Kunst eine Forschungspraxis? Lassen sich die Künste als eine eigene Form des Denkens verstehen? Bergen sie eine eigene Form des Wissens?

Die Fragen sind nicht neu: Spätestens seit dem 18. Jahrhundert steht die Frage im Raum, ob es neben Vernunft- und Verstandeserkenntnis auch eine sinnliche Form der Erkenntnis geben könne. – Seit etwa 15 Jahren haben sie jedoch eine neue Dimension entwickelt: Denn seit die „Bologna-Reform“ des Hochschulsystems den Maßstab der Wissenschaftlichkeit auch an die Kunsthochschulen herantrug, begannen diese – eine Art Bumerangeffekt – am Begriff der Wissenschaft zu arbeiten: Lassen sich Kunstwerke in einem wissenschaftlichen Sinn als Forschungsarbeiten verstehen? Und was würde dies für den Begriff der Wissenschaft bedeuten?

Die Theologie hat von dieser Debatte bislang kaum Notiz genommen. Dies überrascht – wäre sie doch eigentlich dazu prädestiniert. Nicht nur, weil sie als universitäre Disziplin selbst eine Sonderstellung im Kanon der wissenschaftlichen Fakultäten hat: Ihre „Wissenschaftlichkeit“ wird ob ihrer Bezogenheit auf Phänomene wie „Inspiration“, „Offenbarung“ und „Glauben“ immer wieder kontrovers diskutiert. Sondern vor allem, weil sich theologisches Denken seit jeher auch auf künstlerische Ausdrucksformen bezieht: auf die Sprachkunst, auf Bilder, auf Klang und Musik, auf Tanz und Performance, auf Architektur.

Das vorliegende Heft versucht, diese Lücke zu schließen, indem es einen Dialog inszeniert: Zwischen KünstlerInnen und KuratorInnen, die ihre künstlerische und kuratorische Arbeit auch als Forschungsarbeit verstehen. Und Theologen, die sich in ihrer theologischen Forschungsarbeit mit künstlerischer Forschung auseinandersetzen. Nicht ohne einleitend die historischen und institutionellen Hintergründe der Debatte und ihre theologischen Konsequenzen zu beleuchten.

In diesem Sinne bereiten drei grundlegende Perspektiven den Boden aus institutionenpolitischer (Schiesser), philosophiegeschichtlicher (Mersch) und theologischer Sicht (Stoellger). Es folgen exemplarische Perspektiven in den Bereichen Bildende Kunst (Blume/Mennekes), Literatur (Lehnert/Bader), Klang - Musik (Androsch/Berg), Tanz - Performance (Breuss/Erne) und Architektur - Öffentlicher Raum (Gelsinger/Henke). Schließlich eine Rückschau aus der Perspektive der Redaktion (Leisch-Kiesl/Langbein).

Das Heft speist sich aus der Tagung „Kunst_Wissenschaft_Theologie“, zu der die Zeitschrift kunst und kirche und das Institut für Kunstwissenschaft und Philosophie (IKP) im November 2013 an die Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz geladen hatten. Die meisten Beiträge in diesem Heft wurden als Vorträge auf dieser Tagung gehalten – andere wurden, durch die Diskussionen der Tagung inspiriert, ergänzend angefragt. Wir danken allen, die zu dieser ersten und nun aktuell zur zweiten Denkbewegung beigetragen haben.

Monika Leisch-Kiesl und Hannes Langbein

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